China 11.09.2023

Journalistin Zhang Zhan: den Tod vor Augen

Ein Poster mit einem Foto von Zhang Zhan und der Unterschrift "Free Zhang Zhan" klebt an einer Absperrung. Im Hintergrund stehen uniformierte Menschen.
Protest vor dem Liaison Office in Hongkong © picture alliance/EPA-EFE | MIGUEL CANDELA

In China geht das Regime weiter gnadenlos gegen kritische Journalistinnen und Journalisten vor. Das zeigen exemplarisch die Fälle von Zhang Zhan, Yang Hengjun und Zhou Yuanzhi, die wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Angesichts jüngster Entwicklungen erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an ihr Schicksal und fordert die Freilassung aller in China inhaftierten Medienschaffenden.

Die seit 2020 inhaftierte Journalistin Zhang Zhan wurde kürzlich erneut in ein Krankenhaus eingeliefert. Zhang ist in einen Hungerstreik getreten, um für ihre Unschuld zu protestieren. Bleibt sie weiter im Gefängnis, droht sie zu sterben. Zhang hatte über die Frühphase der Covid-19-Pandemie in Wuhan berichtet. Auch der Gesundheitszustand des seit 2019 wegen angeblicher Spionage inhaftierten australischen Journalisten Yang Hengjun hat sich deutlich verschlechtert. Yang ist seit Monaten krank, nun wurde eine Zyste an seiner Niere diagnostiziert. Vor zwei Wochen nahmen die Behörden zudem erneut den politischen Kommentator Zhou Yuanzhi fest. Er saß bis Mai 2022 bereits vier Jahre im Gefängnis. Zhou hatte sich unter anderem zum Krisenmanagement der Behörden nach jüngsten Überschwemmungen in der Provinz Hebei geäußert.

„Medienschaffende wie Zhang Zhan, Zhou Yuanzhi und Yang Hengjun sind hohe Risiken eingegangen, um Informationen von öffentlichem Interesse zu recherchieren oder politische Entwicklungen in China zu kommentieren. Dafür werden sie bestraft“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es ist leider gängige Praxis des Regimes, inhaftierten Journalistinnen und Journalisten die medizinische Versorgung zu verweigern. Die internationale Gemeinschaft muss den Druck auf Peking erhöhen und die Freilassung von Zhang Zhan, Zhou Yuanzhi, Yang Hengjun und allen weiteren im Land inhaftierten Medienschaffenden fordern.“ 

Zhang Zhan schwebt in Lebensgefahr

Als Zhangs Mutter die Journalistin im Juli 2023 im Krankenhaus besucht hat, wog ihre Tochter nur noch 37 Kilogramm, die Hälfte dessen, was sie vor ihrer Festnahme wog. Zhang war sehr schwach und leidet an Mangelernährung, einer Magen-Darm-Erkrankung und einer niedrigen Zahl an weißen Blutkörperchen. Die 39-Jährige war bereits in den ersten Monaten ihrer Haft zwischen Mai 2020 und Januar 2021 in einen Hungerstreik getreten, bei dem sie über eine Nasensonde zwangsernährt wurde und ihr zeitweise 24 Stunden am Tag die Hände gefesselt worden waren.

Zhang hatte im Februar 2020 in der zentralchinesischen Stadt Wuhan über die Frühphase der Covid-19-Pandemie berichtet. Sie zeigte in Livestreams in sozialen Netzwerken die Verhältnisse in den Straßen und Krankenhäusern der Stadt sowie die Schikanen, denen die Familien von Erkrankten ausgesetzt waren. Zhangs Berichterstattung war eine wichtige unabhängige Quelle zur Situation in der Region. Für ihren Mut würdigte RSF die Journalistin 2021 mit dem RSF Press Freedom Award.

Im Mai 2020 wurde Zhang festgenommen. Ende Dezember 2020 verurteilte sie ein Gericht in Shanghai zu vier Jahren Haft, weil sie „einen Streit angefangen und Ärger provoziert“ haben soll, ein häufig gegen Journalistinnen und Journalisten genutzter schwammiger Vorwurf des Regimes.

In China sind inhaftierte Journalistinnen und Journalisten fast systematisch Misshandlung ausgesetzt und ihnen wird eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. Im Jahr 2017 starben der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und der Blogger Yang Tongyan. Bei beiden war kurz zuvor Krebs im Endstadium diagnostiziert worden. Im Gefängnis, wo sie langjährige Haftstrafen absaßen, wurden sie nicht ausreichend medizinisch versorgt. Im Februar 2021 starb Kunchok Jinpa, eine wichtige Quelle ausländischer Medien zu Tibet, infolge von Misshandlungen während der Haft.

Ein ausländischer Pass schützt nicht

Auch ausländische Medienschaffende können ins Visier der Behörden geraten, wie der Fall des in China geborenen, australischen Autoren Yang Hengjun zeigt. Der politische Kommentator sitzt seit Januar 2019 in China im Gefängnis. Sein Gesundheitszustand hat sich deutlich verschlechtert.

Nach Angaben von Freunden Yangs wurde bei ihm kürzlich eine Zyste an der Niere diagnostiziert. Er ist seit Monaten krank, dennoch hatten ihm die Gefängnisbehörden einen Arztbesuch zunächst verweigert. Yang wurde scheinbar weder über die Einzelheiten der Diagnose noch über die Behandlungsmöglichkeiten informiert. Der Guardian berichtete, die Zyste sei 10 cm groß und drücke auf seine Niere.

Yang hat mehrere regimekritische Artikel in dem Magazin The Diplomat veröffentlicht. Im Januar 2019 reiste er von New York nach Guangzhou. Dort wurde am Flughafen festgenommen und später wegen „Spionage“ angeklagt. Sein Prozess fand im Mai 2021 statt, aber die Urteilsverkündung wird seit zwei Jahren immer wieder verschoben. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll das Urteil im Oktober verkündet werden. Yang berichtete 2020 von Misshandlungen, mehr als 300 Verhören und Beschimpfungen während der Haft.

Yang ist nicht der einzige ausländische Journalist, der in China im Gefängnis sitzt. Mitte August 2020 wurde die in China geborene australische Journalistin Cheng Lei wegen des Verdachts der „illegalen Weitergabe von Staatsgeheimnissen ans Ausland“ festgenommen. Cheng arbeitete als Nachrichtensprecherin für den staatlichen chinesischen Auslandssender CGTN. Im März 2022 stand sie in einem Prozess hinter verschlossenen Türen vor Gericht, aber bis heute haben die Behörden das Urteil nicht veröffentlicht. Der in China geborene schwedische Verleger Gui Minhai war 2015 in Thailand entführt worden und Monate später im chinesischen Staatsfernsehen für ein „Geständnis“ wiederaufgetaucht. Im Februar 2020 verurteilte ihn ein chinesisches Gericht wegen „illegaler Weitergabe von Geheimdienstinformationen ans Ausland“ zu zehn Jahren Haft.

Schon wieder in Haft

Am 22. August nahmen die Behörden erneut den politischen Kommentator Zhou Yuanzhi fest. Der 62-Jährige saß bereits von November 2017 bis Mai 2022 im Gefängnis, nachdem er wegen „unerlaubter Versammlung“, „Verleumdung“ und dem Vorwurf „einen Streit anfangen und Ärger provozieren“ zu wollen, verurteilt worden war. Die jüngste Festnahme steht möglicherweise in Zusammenhang mit seinen Äußerungen zum Krisenmanagement der Behörden während Überschwemmungen in der östlichen Provinz Hebei und der Festnahme des regierungskritischen Journalisten Qin Yongmin.

Seit Jahrzehnten äußert sich Zhou unter verschiedenen Pseudonymen in chinesischsprachigen Medien im Ausland zu Korruption und sozialen Problemen, unter anderem in der Epoch Times, einem in den USA registrierten Medium, das der verfolgten religiösen Bewegung der Falun Gong nahesteht. Im Vorfeld der Olympischen Spiele war er im Mai 2008 bereits kurzzeitig festgenommen worden.

In keinem Land sind mehr Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit inhaftiert als in China, aktuell sind es mindestens 103. Mit einer seit Mao Zedong nie dagewesenen Machtkonzentration hat sich Staats- und Parteichef Xi Jinping eine historische dritte Amtszeit gesichert und setzt seinen vor zehn Jahren begonnenen Feldzug gegen den Journalismus fort. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 179 von 180 Staaten.



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