Saudi-Arabien

„Dinge geschehen“: Trump-Äußerung zum Mord an Jamal Khashoggi ist „absolute Entgleisung“

„Dinge geschehen“: Trump-Äußerung zum Mord an Jamal Khashoggi ist „absolute Entgleisung“
© Picture Alliance / Associated Press / Evan Vucci
Zelebrieren ihre Verbindung: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (links) und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus.

US-Präsident Trump hat den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bei dessen Besuch im Weißen Haus wegen der Ermordung von Jamal Khashoggi in Schutz genommen. Der saudi-arabische Kolumnist war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul bestialisch ermordet worden, mutmaßlich mindestens unter Mitwissen von Mohammed bin Salman persönlich. Es seien „Dinge geschehen“, sagte Trump, aber man könne es nun auch dabei belassen. Khashoggi sei zudem „extrem umstritten“ gewesen.

„Wir halten die Äußerung des US-Präsidenten für eine absolute Entgleisung", sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Er tritt damit nicht nur das Ansehen von Jamal Khashoggi mit Füßen, sondern auch den weltweiten Einsatz für Gerechtigkeit bei Verbrechen an Journalist*innen. Jamal Khashoggi war ein weithin respektierter, unabhängiger, kritischer Journalist – der für seine Arbeit auf unvorstellbar grausame Art ermordet wurde. Laut einem US-Geheimdienstbericht hat Mohammed bin Salman persönlich den Mord gebilligt. Indem er solche schwerwiegenden Vorwürfe einfach beiseite wischt, zeigt Donald Trump einmal mehr: Er hat für kritischen Journalismus nichts übrig, er behindert die Aufarbeitung von Verbrechen an Medienschaffenden – und er wird auch nichts dafür tun, Journalist*innen in seinem eigenen Land zu schützen. Schließlich war Jamal Khashoggi für ein US-Medium tätig. Anstatt solche Entgleisungen stillschweigend zu tolerieren, sollte die internationale Gemeinschaft geschlossen für die Rechte von Medienschaffenden eintreten. Die Bundesregierung sollte ihren Einfluss nutzen, um den eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien ein Ende zu setzen. Denn erst im Juni ist in dem Land wieder ein Journalist hingerichtet worden. Wer zu solchen Vorgängen schweigt, macht sich mitschuldig.“

Reporter ohne Grenzen setzt sich seit Jahren für eine wirkliche Aufarbeitung des Mordes an Jamal Khashoggi ein. Anfang März 2021 hatte RSF beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen Kronprinz Mohammed bin Salman und vier weitere hochrangige Vertreter des Königreichs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht. Wegen des Mordes an Jamal Khashoggi und der unrechtmäßigen Inhaftierung von damals 34 Journalistinnen und Journalisten in Saudi-Arabien wirft RSF ihnen vor, Medienschaffende anhaltend und systematisch zu verfolgen.

Solche juristischen Verfahren nach dem Weltrechtsprinzip werden umso wichtiger, nachdem die türkische Justiz im April 2022 das Gerichtsverfahren eingestellt und den Mordfall an Saudi-Arabien übergeben hatte. Mit diesem Schritt waren die Hoffnungen auf eine strafrechtliche Verfolgung dahin. In Saudi-Arabien selbst wurden für das Verbrechen acht nicht identifizierte Männer rechtskräftig zu sieben bis 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Verfahren fand jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und entsprach rechtsstaatlichen Anforderungen in keiner Weise. Drei weitere Angeklagte, darunter hochrangige saudi-arabische Beamte, wurden freigesprochen.

Saudi-Arabien gehört zu den Ländern, in denen es weltweit am schlechtesten um die Pressefreiheit steht: Derzeit sitzen dort mindestens 19 Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis. Im Juni war mit Turki al-Dschasser seit langem wieder ein Journalist hingerichtet worden – laut RSF ein weiteres alarmierendes Zeichen für die brutale Unterdrückung unabhängiger Stimmen in Saudi-Arabien.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Königreich auf Platz 162 von 180 Ländern.